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Rohstoffmangel und Lieferengpässe

In den Medien geht es mittlerweile fast täglich um fehlende Computer-Chips, zu wenig Holz fürs Bauen oder mangelnde Auto- und Velo-Ersatzteile. Für mich waren diese Themen bis vor kurzem recht abstrakt. Als Neu-Schuhproduzentin sind sie nun allerdings plötzlich sehr konkret geworden.

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Fehlendes Rohmaterial: Ohne Sohlen keine Schuhe

Die Produktion meiner Launch-Kollektion im Sommer hat sich um gut einen Monat verzögert. Die Herbstkollektion nun leider erneut. Grund dafür waren fehlende Sohlen und Absätze. Oder genauer gesagt: Fehlendes Rohmaterial, um Sohlen und Absätze herzustellen, die aus speziell gehärtetem und nachhaltigem Gummi bestehen.

Die Sohlen- und Absatzhersteller haben es aber nicht etwa verschlafen, Rohmaterial für ihre Covid-bedingt leeren Lager einzukaufen. Sie konnten es schlicht nicht, weil kein Rohmaterial verfügbar war. Es gab einfach über mehrere Wochen kein Material zu kaufen. Ohne Rohmaterial keine Sohlen. Und ohne Sohlen keine Schuhe. So einfach ist das.


Produktion: Verzögerungen und keine Planbarkeit

Pumps, Sandalen und Ankle Boots bestehen aus ca. 15 Komponenten wie z.B. Obermaterial, Futter, Sohlen oder Absätze. Wenn eine Komponente fehlt, kann man keinen Schuh fertig stellen. Lieferengpässe und -verspätungen bedeuten für unsere Schuhproduktion, dass wir praktisch täglich die Lieferungen abwarten und entsprechend die einzelnen Produktionsschritte umplanen, verschieben und neu organisieren müssen. Wenn eine einzige Komponente fehlt, sind wir blockiert.


Alles bleibt stehen, auch der Designprozess

Das Thema begleitet mich aber eigentlich nicht erst seit der ersten Produktion, sondern schon seit Anfang Jahr, wo wir die ersten Prototypen und das Design für die Launch-Kollektion entwickelt haben. Auch für die Herstellung von Prototypen und «Samples» (Muster) braucht man eigentlich alle 15 Komponenten. Man kann hier zwar ein bisschen tricksen und z.B. ohne Sohlen an der Leiste weiterarbeiten. Aber ab einem gewissen Punkt in der Entwicklung benötigt man trotzdem alle Bestandteile.

D.h. Rohstoffmangel und Lieferengpässe betreffen nicht nur die Produktion selbst, sondern bereits die Entwicklung einer neuen Kollektion. Diese Verzögerungen summieren auf und es gibt eine Kettenreaktion. Für ein saisonales Produkt z.B. wie Stiefeletten bedeuten lieferbedingte Verzögerungen unter Umständen, dass man eine ganze Saison verpasst. Die Leute kaufen ihre Winterschuhe in der Regel im Herbst und nicht erst im tief verschneiten Winter. Eine verpasste Saison bedeutet fehlendes Einkommen und blockiertes Kapital für neue Investition.

Neben Verzögerungen führt Rohstoffmangel auch zu höheren Kosten: Knappheit führt zu Preiserhöhungen. Und das betrifft nicht nur die Materialen, sondern z.B. auch die Transportkosten.


Emotionale Komponente

Jeder, der sich mit Materialgüterproduktion befasst, kennt diese Effekte und Risiken. Damit muss man als Unternehmen umgehen können. Für mich – die aus dem Dienstleitungssektor kommt – sind solche Themen nun einfach zu ersten Mal spürbare Realität geworden. Lesson learned.

Es gibt aber noch eine weitere Dimension, mit der ich als Jungunternehmerin konfrontiert bin: Dieses Thema verursacht sehr viel Stress. Auch während der zweiten Produktionsphase, die ich nun gerade erlebe, sitze ich seit Wochen permanent auf Nadeln. Gepaart mit dem Gefühl der Machtlosigkeit, Unsicherheit, dem Druck, Liefern zu müssen und der Angst, die Saison zu verpassen. Ich kenne Stress und Druck natürlich aus meinen früheren Rollen als Angestellte und kann damit generell recht gut umgehen. Aber ich bin ehrlich: Es ist etwas anderes, wenn es um das eigene Unternehmen und damit um die eigene Existenz geht. Damit muss ich lernen umzugehen.


Lösung: Früher planen und produzieren?

Jein. In meinem Fall war es sicher so, dass ich einfach mal gestartet bin. Es ging in erster Linie darum, überhaupt Schuhe aus Apfelleder für den Sommer und Winter zu entwickeln. Ich habe es in Kauf genommen, etwas «zu spät» zu sein. Auch unter normalen Umständen war das Timing sehr sportlich. Natürlich planen mein Schuhproduzent und ich für die zukünftigen Kollektionen mehr Spatzung ein, um die Rohstoffmangel-Situation zu entschärfen. Aber es wird in den nächsten Monaten Covid-bedingt immer wieder Entwicklungen geben, die wir noch nicht kennen oder einplanen können. Bei gewissen Rohmaterialien ist die Situation so dramatisch, dass es sich bei den Lieferverzögerungen nicht mehr nur um ein paar Wochen, sondern um mehrere Monate handelt. So gesehen hatte ich noch Glück bis jetzt.


Nachhaltiges Handeln, Rahmenbedingungen akzeptieren

Vielleicht habt ihr selbst schon die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Produkte über Monate einfach nicht verfügbar sind. Für uns hier in der Schweiz eine völlig neue Situation, nicht? Plötzlich kann man nachvollziehen, was Rohstoffmangel bedeutet. Obwohl es streng genommen meist ja noch keine «echten» Rohstoffmängel sind, sondern erst durch die Pandemie bedingte Förder- und Lieferengpässe von Rohstoffen. Diese Erfahrungen schärfen sicherlich das Bewusstsein, dass Rohstoffe nicht unendlich sind und es genau jetzt allerhöchste Zeit ist, nachhaltig zu handeln. Deswegen setze ich auf Äpfel – ein nachwachsender Rohstoff.


Mein persönlicher Weg als Unternehmerin, mit diesen Risiken und Ängsten umzugehen ist, meine Erwartungen anzupassen und zu lernen, diese Situation anzunehmen, sie auszuhalten und mich nicht entmutigen zu lassen. Es geht jetzt bei der zweiten Produktion schon deutlich besser als beim ersten Mal. Und wahrscheinlich tut es mir als Ober-Streberin und Perfektionistin auch ganz mal gut, ein bisschen lockerer zu werden. 😊


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